Landwirtschaft im Wandel
Der Wertschöpfungsanteil der Landwirtschaft an der Lebensmittelwirtschaft sinkt und sinkt. Gleichzeitig soll sie aber immer ökologischer wirtschaften. Da ist guter Rat teuer.
Die Landwirtschaft steckt in einer Zwickmühle: Sie soll sorgsamer mit den natürlichen Ressourcen umgehen und die Welt trotzdem weiterhin ernähren.
Landwirte unter Druck
Erschwert wird dies durch einen wachsenden wirtschaftlichen Druck. Das liegt nicht nur am harten globalen Preiswettbewerb, sondern auch daran, dass der wertmäßige Anteil der Landwirtschaft an der Lebensmittel-Wertschöpfungskette immer kleiner wird, wie Franz Sinabell, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut, nun belegen konnte: Im Jahr 2005 konnten Landwirte noch 20,2 Prozent der Wertschöpfung lukrieren, 2019 waren es nur mehr 17,5 Prozent. Große Zuwächse verzeichneten hingegen die Lebensmittelverarbeitung, der Einzelhandel sowie die Gastronomie.
Sinabell sieht zwei mögliche Auswege für Landwirte: Entweder sie steigern ihre Produktivität (durch Wachstum und Kostensenkung) und erhöhen dadurch ihre Einkommen; oder sie verarbeiten ihre Produkte selbst oder verknüpfen sie mit Dienstleistungen (Ab-Hof-Verkauf, Beherbergung) und naschen auf diese Weise an den wachsenden Sektoren in der Lebensmittelwirtschaft mit.
Es gibt aber vielleicht eine dritte Alternative – nämlich die Umstellung auf biologische Landwirtschaft. Darauf deutet eine eben veröffentlichte Studie des schweizerischen Agroscope-Instituts hin. Im Jahr 2010 wurde nahe von Zürich ein Langzeitversuch gestartet, bei dem die ökologischen und ökonomischen Konsequenzen von konventioneller und biologischer Produktion, jeweils mit und ohne Bodenbearbeitung per Pflug, systematisch erfasst werden (Science Advances, 20. 8.).
Es zeigte sich, dass Bio-Landwirtschaft in Sachen Umweltschonung und Ökosystem-Dienstleistungen (Wasserspeicherung, Erosionsschutz etc.) wesentlich besser abschneidet. Und: Die Ernten fallen beim Bio-Anbau zwar um ein Viertel bis ein Drittel niedriger aus, aber dank höherer Preise und staatlicher Ausgleichszahlungen bietet „bio“ gleichzeitig ein besseres Einkommen für Landwirte.
Hinter diesen optimistischen Befund muss man allerdings zwei große Fragezeichen setzen: Denn einerseits muss der verminderte Ertrag der Bio-Landwirtschaft angesichts des weltweit steigenden Bedarfs an Lebensmitteln zu denken geben – hier kommt man durch intensivere Forschung sicher noch den einen oder anderen Schritt weiter. Andererseits ist ein Produktionssystem, das sich auf hohe öffentliche Unterstützungen verlassen muss, wohl kein langfristig zukunftstaugliches Modell.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.
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